(verpd) Eine Frau hatte sich im Rahmen eines an ihrem Arbeitsplatz geführten privaten Telefonats beleidigend über Vorgesetzte und Kolleginnen und Kollegen geäußert. Sie darf nicht fristlos entlassen werden, wenn sie zuvor schikaniert wurde. In so einem Fall ist eine Abmahnung ausreichend, so das Landesarbeitsgericht Thüringen in einem Urteil (4 Sa 212/21).

Einer langjährig bei ihrem Arbeitgeber beschäftigte Arbeitnehmerin wurde aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Gegen ihre Entlassung wehrte sie sich erfolgreich vor Gericht. Nachdem die Klägerin an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt war, wurde sie zunächst in einem Keller, in dem Schimmel, Mäuse, Mäusekot und Mäusedreck waren, bei einer Temperatur von elf Grad Celsius mit Archivierungsarbeiten beschäftigt.

Ihr wurde zwar schließlich ein Büro zugewiesen. Doch um die ihr übertragenen Archivierungsarbeiten durchzuführen, musste sie auf Anweisung ihres Vorgesetzten von dem Büro aus über den Hof gehen. Dabei hätte es einen weniger anstrengenden Zugang zum Archiv gegeben, um die schweren Akten zu transportieren. Hierbei wurde sie von ihren Kolleginnen und Kollegen beobachtet und wohl teilweise auch verhöhnt.

Abmahnung statt fristloser Entlassung

Bei einem mit ihrem privaten Mobiltelefon während der Arbeitszeit mit einer ehemaligen Arbeitskollegin geführten Telefonat machte die Frau ihrem Kummer über die erniedrigende Behandlung schließlich Luft.

Weil sie den Lautsprecher des Telefons eingeschaltet hatte, hörten zwei anwesende Kolleginnen das Gespräch mit. Diese wussten ihrem Vorgesetzten anschließend zu berichten, dass sich die Klägerin während des Telefonats grob beleidigend über den Geschäftsführer sowie über Kolleginnen geäußert hatte.

Ihr Arbeitgeber nahm das zum Anlass, sie fristlos zu entlassen. Das hielt die Betroffene für unangemessen. Sie war der Meinung, dass eine Abmahnung ausgereicht hätte. Sie zog daher erneut gegen den Unternehmer vor Gericht. Dort zog der Arbeitgeber abermals den Kürzeren.

Das Thüringer Landesarbeitsgericht stellte zwar nicht in Abrede, dass die groben Beleidigungen der Beschäftigten grundsätzlich dazu geeignet waren, sie fristlos entlassen zu können. Angesichts der Gesamtumstände, die im Wesentlichen der Unternehmer zu vertreten habe, hätte aber eine Abmahnung ausgereicht.

Menschenunwürdiges Verhalten

Dieser habe die Frau nach deren Obsiegen in dem ersten Kündigungsschutzprozess erniedrigend und schikanös behandelt und sich mit ihr außerdem über offenkundig unstreitige Ansprüche, wie zum Beispiel die auf Zahlung des ihr zustehenden Urlaubsgelds, gestritten.

Er habe sie weiterhin anfangs menschenunwürdig in einem kalten, verdreckten und gesundheitsgefährdenden, weil verschimmelten, Keller beschäftigt.

Die Richter zeigten daher Verständnis für die Verärgerung der Betroffenen und die dadurch ausgelösten, zweifelsohne unangebrachten Äußerungen während ihres privaten Telefonats mit der ehemaligen Kollegin.

Kein berechtigter Ausspruch einer Kündigung

„Dass eine Arbeitnehmerin in einer solchen Situation unter Umständen bei Äußerungen über ihren Arbeitgeber übers Ziel hinausschießt und die Grenzen des Anstandes überschreitet und auch schlecht über ihre Arbeitskolleginnen redet, ist zwar nicht sanktionslos hinnehmbar. Es führt aber in einer solchen Ausnahmesituation nicht zu einem berechtigten Ausspruch einer Kündigung“, heißt es dazu in der Urteilsbegründung.

Das Landesarbeitsgericht ließ keine Revision gegen seine Entscheidung zu. Wie der Fall zeigt, ist eine fristlose Jobkündigung durch den Arbeitgeber nicht immer gerechtfertigt. Daher kann der Weg vor das Arbeitsgericht für den Arbeitnehmer durchaus sinnvoll sein.

Doch bei Arbeitsrechtsverfahren muss jede Streitpartei – auch diejenige, die den Rechtsstreit gewinnt – die eigenen Prozesskosten und die eigenen Anwaltskosten selbst bezahlen. Beschäftigte, die eine Privatrechtsschutz-Versicherung haben, bei der ein Berufsrechtsschutz enthalten ist, entgehen jedoch diesem Kostenrisiko, wenn der Rechtsschutz-Versicherer vorher eine Leistungszusage gegeben hat.